5 Tipps zur Impulskontrolle beim Kind

5 Tipps zur Impulskontrolle beim Kind

Vermehrt liest man über fehlende Impulskontrolle beim Kind. Manche Kinder zeigen Erwachsenen zu wenig Impulskontrolle. Sie sind ungeduldig und können nur schwer warten, bis sie an die Reihe kommen. Diese Kinder platzen in Spiele anderer hinein. Sie reden unüberlegt, ständig und wechseln oft das Thema. Es scheint, als hätten sie absolut keine Impulskontrolle. Doch was steckt dahinter und ist die Erwartungshaltung an junge Kinder nicht manchmal zu hoch?

In diesem Artikel gebe ich dir Tipps an die Hand, wie dein Kind mit deiner Hilfe mehr Impulskontrolle entwickeln kann und was du konkret dazu tun kannst.

 

Was ist Impulskontrolle?

Impulskontrolle ist ein psychologischer Begriff und bezeichnet die bewusste und erwünschte Kontrolle der eigenen Gefühle und Affekte. Selbstdisziplin, Selbstkontrolle, Selbstregulation sind weitere geläufige Begriffe für Impulskontrolle.

Die Hirnforschung und Neuropsychologie bezeichnet die Impulskontrolle (Inhibition) als einen wichtigen Teil der sogenannten Exekutiven Funktionen – neben dem Arbeitsgedächtnis und der kognitiven Flexibilität. Die Impulskontrolle hat eine durchwegs wichtige Funktion: Sie bringt uns dazu, zuerst zu denken und dann zu handeln.

Impulskontrolle ist daher die Fähigkeit, impulsive Reaktionen zu kontrollieren, um durch logisches Denken und durch Aufmerksamkeit Antworten zu finden und dann gezielt und vernünftig zu reagieren.

Und das bringt uns zu einem wichtigen Punkt:

Impulskontrolle ist keine angeborene Fähigkeit - so können Säuglinge und Kleinkinder ihre Impulse noch nicht in dem Maße kontrollieren, wie wir Erwachsene es können (sollten). Erst ungefähr mit 3 Jahren beginnt die Entwicklung der Impulskontrolle und geht mit der Reifung des Gehirns einher.

 

Warum ist eine gute Impulskontrolle beim Kind wichtig?

Kindern mit guten, selbst regulatorischen Fähigkeiten gelingt es leichter, sich Ziele zu setzen und diese zu erreichen. Weiters bringen sie ihre eigenen Bedürfnisse viel besser mit den Bedürfnissen der Gesellschaft in Einklang.

Im Unterricht gelingt es ihnen besser, die eigene Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu lenken und störende Reize auszublenden. Aufwühlende Erlebnisse werden schneller verarbeitet und folglich eine höhere Frustrationstoleranz ausgebildet.

Kinder mit einer gut ausgebildeten Selbstkontrolle bleiben auch in herausfordernden Situationen länger dran und versuchen kniffelige Aufgaben zu lösen. Sie schließen schneller Freundschaften und fühlen sich der Gemeinschaft zugehörig an.

 

Wie entwickelt sich Impulskontrolle im Laufe der Kindheit?

Die Impulskontrolle, wie auch die Bereiche Arbeitsgedächtnis und kognitive Flexibilität, entwickelt sich im Laufe der Kindheit von selbst.

Als Teil der exekutiven Funktionen ist die Impulskontrolle im präfrontalen Cortex, auch das Stirnhirn genannt, angesiedelt. Die Hirnforschung konnte belegen, dass die Entwicklung des präfrontalen Cortex erst mit ca. 25 Jahren abgeschlossen ist.

Und obwohl die Entwicklung der drei Bereiche nicht zeitgleich erfolgt, zeigt sich bei allen dreien eine besonders rasante Entwicklung im Alter zwischen drei und sieben Jahren. Fast auf Erwachsenen-Niveau ist sie ungefähr im Alter von 12 Jahren.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen: je jünger das Kind, desto impulsiver ist dieses im Verhalten – je älter, desto vernünftiger reagiert es in den unterschiedlichen Situationen.

Wobei unbedingt hinzugefügt werden muss, dass die Entwicklung der exekutiven Funktionen bestimmten sozialen und genetischen Aspekten unterliegt, wie wir im Folgenden noch sehen werden.

 

Was sind unterstützende und hinderliche Faktoren für die gesunde Entwicklung der Impulskontrolle beim Kind

Wenn wir die lange Entwicklungszeit (von Geburt bis zum Alter von 25 Jahren) der exekutiven Funktionen und damit auch der Impulskontrolle ins Auge fassen, dann wird rasch klar:

Das Erlernen der Selbstregulation ist ein längerer Prozess.

Kinder benötigen darüber hinaus auch ein unterstützendes Umfeld, das es ihnen ermöglicht, die eigene Impulskontrolle gut zu entwickeln. Eine gute Beziehung zum Kind und eine bindungs- und bedürfnisorientierte Erziehungshaltung sind eine gute Basis, um die gesunde Entwicklung der Impulskontrolle beim Kind zu unterstützen.

 

Diese 5 Faktoren unterstützen die Entwicklung der Impulskontrolle beim Kind positiv

 

1. Geduld und Verständnis aufbringen

Die Entwicklung der Impulskontrolle ist ein Langzeit-Projekt. Als Bezugspersonen sollten wir also mit viel Verständnis auf die einzelnen Entwicklungsphasen achten und das Kind nicht zu sehr unter Druck setzen. Hierzu ein Beispiel:

Maxi ist drei Jahre alt und liebt seine Murmelbahn. Sein jüngerer Bruder Filip läuft seit kurzem und hat entdeckt, dass Maxi mit vielen bunten Murmeln spielt und diese schnell die Murmelbahn runterrollen. Das will er auch! Maxi ist sehr geschickt im Aufbauen seiner wackeligen Murmelbahn und schafft es, sie bis zum Schluss fertig zubauen, ohne dass sie umfällt. Doch kaum ist Filip im Zimmer, weiß er, dass die Murmelbahn nicht mehr lange stehen wird. Deshalb ist seine erste Reaktion neuerdings, den jüngeren Bruder wegzuschubsen. "Maxi, wie oft habe ich es dir schon gesagt? Rufe nach mir, wenn Filip zu dir ins Zimmer kommt. Ich komme dann und lenke ihn ab, damit er deine Murmelbahn nicht um schmeißt. Du sollst ihn nicht wegschubsen! Wegschubsen ist verboten! Er macht das nicht absichtlich, er ist nur noch sehr ungeschickt." Maxi nickt zwar, sichtlich unglücklich, doch wenige Zeit später - die Mutter ist wieder aus dem Zimmer – schreit Filip wieder auf. Maxi hat ihn an den Haaren gezogen, weil er einen Bauteil auf die Murmelbahn geben wollte ... Die Mutter ist verzweifelt und wünscht sich einfach nur, dass Maxi sich besser beherrschen lernt und vernünftiger handelt.

Das ist jedoch zu viel verlangt. Ein Dreijähriger hat eine kürzere Zündschnur als ein Neunjähriger. Selbstdisziplin und vernünftiges Verhalten kann erst erwartet werden, wenn der entsprechende Teil des Gehirns auch entwickelt ist und das ist später, als viele Erwachsene sich das vorstellen.

In diesem konkreten Fall wäre es einfach besser, würde die Mutter das Spiel der beiden mit einem Auge beobachten, um entweder vorab lenkend einzugreifen oder im Akutfall, den beiden im Konflikt zu helfen.

 

2. Impulskontrolle vorleben - für eine gelingende Impulskontrolle beim Kind 

Kinder lernen von Erwachsenen in ihrem Umfeld, wie man sich in den unterschiedlichen Lebenssituationen verhält. Bezugspersonen, die sich selbst gut regulieren können, die besonnen, geduldig und vernünftig reagieren, sind ein gutes Vorbild für die eigenen Kinder.

Sie schaffen damit eine Atmosphäre, in der das Kind sich ‚Impulskontrolle‘ abschauen kann und ermöglichen damit eine natürliche Entwicklung dieser Fähigkeit. Im Gegenzug machen es gestresste, ungeduldige, impulsiv-agierende Erwachsene dem Kind schwer, anderes Verhalten zu entwickeln. Sie haben dazu nicht das richtige Vorbild.

 

3. Integrität des Kindes wahren

Impulsive Kinder hören oft Sätze wie ‚Pass doch besser auf!‘ und ‚Beruhige dich doch!‘ oder ‚Du musst doch teilen lernen!‘ oder „Du musst doch warten lernen!“. Jedoch ist bei Klein- und jungen Schulkindern das Vernunftsgehirn (präfrontaler Kortex), an die sich diese Aussagen richten, noch nicht so weit ausgereift.

Was unterschwellig in diesen Sätzen oft mitschwingt, ist eine gewisse Vorsätzlichkeit: ‚Das Kind macht das doch absichtlich!‘ Vielfach schimpfen Erwachsene mit dem Kind, drohen ihm oder noch schlimmer – halten ihm negative Zukunftsszenarien vor Augen: ‚Wenn du es nicht bald schaffst, dich zu beherrschen, wirst du in der Schule ordentliche Probleme bekommen!‘

Dem Kind wird vermittelt, dass es sich nicht genug anstrengt und es nicht genug will. Dass es sich nicht genug motivieren will, um seine Impulsivität besser unter Kontrolle zu bekommen. Alle diese Botschaften sind beschämend und verletzen die Integrität des Kindes. Die Entwicklung der Impulskontrolle wird dadurch eher gehemmt als gefördert. Die Folgen sind ein sinkendes Selbstwertgefühl und ein negatives Selbstbild.

 

4. Grundbedürfnisse beachten und überwältigende Gefühle regulieren helfen

Kleinkinder haben viele Wünsche, die sofort erfüllt werden sollen und agieren emotional, wenn dies nicht geschieht. Sie werden oft von einem Konglomerat aus negativen Gefühlen überrollt und benötigen verständnisvolle Erwachsene, die ihnen bei der Gefühlsregulation helfen.

Hunger, Müdigkeit oder Überreizung wirken sich bei Kindern (wie auch bei Erwachsenen) stark negativ auf die Selbstkontrolle aus und die Impulsivität steigt. Hierzu zählt auch, den Grundbedürfnissen des Kindes nach Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung nachzukommen.

Kinder möchten Entscheidungen eigenständig treffen dürfen und mithelfen, Lösungen zu suchen. Besonders selbstbestimmte Kinder fordern dies mit ihrem scheinbar hohen impulsiven Verhalten besonders ein. Je mehr es den Bezugspersonen in einer friedlichen und gelassenen Art gelingt, die Situation zu meistern, desto förderlicher ist es für die weitere Entwicklung der Impulskontrolle des Kindes.

 

 5. Impulskontrolle im Alltag fördern:

Wir können die selbst regulatorischen Fähigkeiten der Kinder auf natürliche Weise im Alltag fördern und vor allem kindorientiert durchführen. Und das schon in sehr frühem Alter. Die Fähigkeit zur Geduld und Vernunft sind im Kleinkindalter noch wenig ausgereift, dennoch können wir in vielen Alltagssituationen, die Geduld des Kindes ein wenig trainieren und ihnen helfen, Frustrationen nach und nach gesellschaftstauglicher abzubauen.

Hier sind konkrete Ideen, um die Impulskontrolle im Alltag zu fördern:

 

Konkrete Tipps, die Impulskontrolle beim Kind im Alltag zu fördern

 

Die Geduld ‚strapazieren‘:

Möchte dein Kind beispielsweise Hilfe beim Schmieren seines Butterbrotes, dann kannst du diesem Wunsch etwas langsamer nachkommen, indem du durchatmest und ruhig antwortest:

‚Gerne helfe ich dir! Was brauchen wir denn dazu? Brot … ist da. Butter … ist auch da … und ein Messer. Oh, jetzt sehe ich das Messer nicht ... ah, da ist es ja. Jetzt schmieren wir das Brot …‘ 

Die Aktion ‚Brot schmieren‘ wird also bedächtig und bewusst etwas langsamer durchgeführt, was die Fähigkeiten Abwarten und Geduld fordert. Es finden sich ganz viele Beispiele, in denen eine Tätigkeit etwas ‚gedehnter‘ ausgeführt werden kann oder ein Wunsch etwas langsamer erfüllt wird.

Gleichzeitig bleiben wir dabei authentisch und geben dem Kind nicht das Gefühl, dass wir es damit absichtlich ärgern wollen. Je älter das Kind ist, desto länger kann es warten:

‚Ja, ich helfe dir gerne bei der Hausaufgabe. Ich spüle hier noch das Geschirr fertig, dazu brauche ich ca. 5 Minuten und danach komme ich zu dir.‘

Wichtig ist, dass man dann auch von sich aus wirklich zum Kind geht, ohne weitere Aufforderung und die Ankündigung einhält. Tun wir das nicht, verspielen wir wieder das Vertrauen, das unser Kind in uns setzt. Achte auch auf das Alter des Kindes - ein 2-Jähriges hat eine wesentlich kürzere Geduldsspanne als ein 5-jähriges Kind.

 

Ausreden lassen und aktiv zuhören:

Wir Erwachsene reagieren in vielen Situationen unbewusst genauso impulsiv, wie wir es vom Kind eben nicht wünschen:

  • Wir unterbrechen es mitten im Satz,

  • fallen ihm ins Wort und

  • hören nicht mal genau zu, wenn sie uns ihre Sicht erzählen wollen.

Drücken wir also bei uns selbst, als einer der ersten wichtigen Schritte, den Pause-Knopf.

Hören wir dem Kind zu (am besten auf Augenhöhe), lassen wir es ausreden und schenken wir ihm unsere volle Aufmerksamkeit. Das ist für viele Erwachsene schwierig und dennoch ist es ein wesentlicher Faktor, der die Entwicklung der Impulskontrolle beim Kind unterstützt.

 

Spannungen körperlich abbauen helfen:

Dem frustrierten und wütenden Kleinkind können wir anbieten, laut Stopp! zu rufen und dem Geschwisterkind oder Spielpartner beide Hände abwehrend entgegenzustrecken. In vielen Elementarpädagogischen Einrichtungen wird damit der Impuls des Hauens, Tretens oder Schubsens in eine verbale Aktion umgelenkt.

Das hilft in vielen Fällen, besonders in Kombination mit den voran erwähnten Maßnahmen, wenn es von Erwachsenen über einen längeren Zeitraum begleitet wird.

Ältere Kinder ab 7 Jahren, sind nach dem größeren Entwicklungsschub in der Lage, Situationen und Personen aus unterschiedlichen Perspektiven wahrzunehmen und zu beurteilen. Sie profitieren meist von körperlichen Tätigkeiten, bei denen sie sich an Spielregeln halten, Impulse regulieren und auf die Mitspielenden eingehen müssen, um ein erfolgreiches Spiel zu ermöglichen.

 

Gibt es Unterschiede in der Ausprägung von Impulsivität?

Manche Menschen sind in ihrem Wesen emotionaler und reagieren auf ihre Umwelt intensiver. Einige von ihnen sind mit einer grundsätzlich erhöhten psychomotorischen Sensitivität geboren. Diese Menschen haben die sprichwörtlichen ‚Hummeln im Hintern‘ und können in jungen Jahren kaum stillsitzen. Sie sind mit einer guten Portion Energie und Bewegungsdrang ausgestattet. Leider wird ihre Begeisterungsfähigkeit und die auffallende Bewegungsfreude als Unruhe ausgelegt. Sie wirken im Vergleich mit anderen impulsiver, doch Studien aus der Sensitivitätsforschung zeigen, dass die Ausprägung der Impulsivität zwar erhöht ist, aber dennoch als normal angesehen wird.

Mehr über Hochsensibilität findest du im Blog auf meiner ‘hochsensiblen Webseite’.

Diese Kinder sind besonders abhängig von förderlichen Umgebungen, wo ihrer Bewegungsfreude und Energie Rechnung getragen wird. Wachsen diese Kinder in unsteten und wenig unterstützenden Familienverhältnissen auf oder werden in Kindergarten und Schulklassen dafür ständig getadelt, so haben diese Kinder nicht die Möglichkeit, eine gesunde Impulskontrolle zu entwickeln.

Es ist wichtig, in solchen Fällen das Gesamtbild im Auge zu behalten und nicht nur das Kind in den alleinigen Fokus zu stellen. 

 

Zusammenfassend können wir also feststellen, dass impulsives Verhalten für Kleinkinder und auch noch Schulkinder völlig normal ist und sich im Allgemeinen mit den Jahren selbst reguliert. Es ist möglich, unseren Kindern durch unterstützende Faktoren zu helfen, die eigene Impulskontrolle natürlich zu entwickeln. Es ist kontraproduktiv, ein Kind für sein impulsives Verhalten zu schimpfen oder es zu bestrafen, da es sich anders verhalten würde, wenn es dies könnte. Bezugspersonen und betreuende Erwachsene sollten mit gutem Vorbild vorangehen.

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