Wenn du mehr als ein Kind hast, dann kennst du auch Geschwisterrivalität. Vielleicht hast du selbst Geschwister und kannst dich noch an Konflikte mit deinen Geschwistern aus der eigenen Kindheit erinnern?
Es ist sehr schwierig für jedes unserer Kinder, dass wir nicht ausschließlich für sie da sind. Besonders für die Erstgeborenen geht die Welt unter, wenn ein jüngeres Kind geboren wird. Dahinter steckt die große Sorge, dass sie nicht mehr liebenswert und nicht mehr gut genug seien und die Liebe der Eltern verloren hätten. Warum sonst hätten wir Eltern noch ein weiteres Kind bekommen?
In diesem Geschwister 1x1 findest du hilfreiche Tipps, wie du deinen Kindern zu einer gesunden Geschwisterbeziehung verhelfen und Geschwisterliebe fördern kannst.
Geschwisterliebe fördern? Welche Hindernisse gibt es?
Zur Rivalität zwischen Geschwistern können auch einfach nur die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Kinder beitragen, oder der große Altersunterschied oder gegensätzliche Interessen. Viel zu wenig wird beachtet, ob die Geschwister eher introvertiert oder eher extravertiert in ihrem Verhalten sind und daher unterschiedliche Bedürfnisse haben. Hier findest du mehr darüber >>
Wie ist das, wenn mehrere Menschen zusammenleben? Wir haben gute und schlechte Tage und selbst die verliebtesten Menschen gehen einander ab und zu auf den Geist! Bedenken wir auch, dass Kindern einfach noch die Lebenserfahrung fehlt, um zu wissen, dass nicht immer der andere Schuld hat. Und dass sie die Skills zur Konfliktbewältigung vielfach erst im Laufe der Kindheit erlernen müssen.
Aber unsere Kinder können trotz Geschwisterstreit und immer wiederkehrenden Konflikten Freunde fürs Leben werden. Wir Eltern nehmen mit unserem Verhalten großen Einfluss darauf. Mit Achtsamkeit und einer gewissen Bereitschaft können wir selbst verfahrene Geschwisterkonflikte auflösen. Wie genau das geht? Dazu gebe ich dir nachfolgend ein paar Impulse.

8 Tipps, um Geschwisterliebe zu fördern und Konflikte zu minimieren
1. Gib deinen Kindern Skills an die Hand, gut miteinander auszukommen.
In allen menschlichen Beziehungen gibt es ab und an Konflikte. Wir können von unseren Kindern nicht erwarten, zu wissen, wie sie Konflikte friedlich lösen. Ihnen das zu zeigen, ist unsere Aufgabe als Gesellschaft und in erster Linie als Eltern.
Das Problem dabei ist: die meisten Erwachsenen haben diesbezüglich in der eigenen Kindheit wenig mitbekommen. Sozial-emotionale Reife und gute Konfliktlösungskompetenz ist bei den wenigsten vorbildlich ausgebildet, sodass wir nun als Eltern hilflos dastehen. Wir sind meist nicht das beste Vorbild für unsere Kinder! Hier findest du ein Interview zum Thema "Eltern werden und die eigene Kindheit neu betrachten" >>
Vielfach sagen wir unseren Kindern “Sag es mit Worten, statt zu hauen!” Aber unsere Kinder (noch wir) wissen nicht, WELCHE Worte sie verwenden sollen. Und sind sie bereits mitten in der Emotionsspirale, ist der Zugang zum “Vernunftsteil” des Gehirns nicht mehr zugänglich. Ende, Gelände!
Wir Eltern haben ständig mit kleineren und größeren Konflikten zu tun, wenn wir unsere Grenzen aufzeigen oder bestimmte Regeln einfordern. Es ergeben sich also täglich viele gute Übungsmomente, unseren Kindern passenden Worte und Phrasen mitzugeben, die sie über kurz oder lang auch anwenden werden.
Vorausgesetzt, wir vermitteln ihnen diese Worte auf eine Weise, die sie in ihrer Integrität nicht verletzt. Mit der Zeit werden sie diese Art der Konfliktlösung auf alle anderen Beziehungen anwenden, einfach so! Hier ist ein einfaches, aber effektives Beispiel für einen möglichen Dialog, wenn sich deine Kinder gerade streiten und es notwendig ist, einzuschreiten.
- Bestätige die Gefühle oder Bedürfnisse: “Du wolltest, dass dein Bruder aufhört, deinen Kapla-Turm umzuhauen, also hast du ihn geboxt.“
- Aufzeigen der Grenze: “Geboxt werden tut weh. Wir wollen einander nicht weh tun.”
- Alternativen aufzeigen: “Sag deinem Bruder: Ich möchte einen großen Turm bauen, bitte störe mich nicht” oder „Frage deinen Bruder, ob er später mit dir gemeinsam bauen möchte, aber jetzt willst du mal selbst bauen.“
2. Statt das eine Kind auszuschimpfen, wenn es das Geschwisterkind ärgert, hilf dem Geschwisterkind seine Grenzen gut zu kommunizieren.
Du verstärkst die Geschwistereifersucht, wenn du ständig das Geschwisterkind verteidigst oder das „Angreiferkind“ ermahnst oder schimpfst. Die Spannungen zwischen Geschwistern werden mehr, weil dein Kind das Gefühl bekommt, du liebst das Geschwisterkind mehr. Es ist besser, wenn du beiden Kindern zeigst, wie sie ihre Bedürfnisse erkennen und unterstütze sie dabei, ihre Grenzen aufzuzeigen und adäquat zu kommunizieren.
Vater: “Sarah, du wirkst verärgert. Was ärgert dich? Kannst du das deinem Bruder sagen?
Sarah: “Sarah...alleine spielen!”
Vater: "Tobi, Sarah sagt, sie möchte jetzt ein wenig allein spielen. Brauchst du Hilfe, dir ein anderes Spiel zu suchen oder weißt du schon was du jetzt spielen möchtest?”
3. Lege Abläufe oder feste „Spielzeug-Spielzeiten“ fest, statt zum Teilen zu zwingen, um Großzügigkeit zu fördern und Konflikte zu minimieren.
Es macht durchaus Sinn, Regeln oder Abläufe festzulegen, wenn es um beliebte Spielsachen geht. Macht es zur Familienregel, dass jedes Kind mit einem bestimmten Spielzeug solange spielen kann, wie es möchte, aber es auch ein logisches Ende gibt, beispielsweise „bis zum Mittagessen“ oder „bis zur Nachmittagsjause“.
Wenn es das Spielzeug vorher schon mit dem Geschwisterkind teilen möchte, dann sehr gerne. Wenn das Geschwisterkind damit spielen möchte, sollte es vorher fragen: “Hast du damit fertiggespielt?”, bevor es damit beginnt. Diese Zeiteinheiten werden wahrscheinlich gekürzt werden müssen, wenn man unterwegs ist (im Park oder am Spielplatz) oder man Kinder zum Spieletreff zu Besuch hat. Macht euch dann aus, wie lange eine Einheit dauern soll.
Das lernen Kinder unbewusst (vereinfacht ausgedrückt), wenn sie zum Teilen gezwungen werden:
- Wenn ich nur laut genug bin, dann bekomme ich, was ich will, auch wenn jemand anderer gerade gut damit spielt.
- Die Eltern entscheiden willkürlich, wer wann womit spielen darf und wenn ich jetzt damit spielen will, brauche ich nur laut zu werden.
- Ich bin mit meinen Geschwistern in ständiger Konkurrenz, um mein Bedürfnis erfüllt zu bekommen. Daher mag ich mein Geschwisterchen nicht. Wenn ich nicht muss, teile ich nicht.
- Es hilft laut zu werden! Jetzt habe ich mein Spielzeug und wenn ich es hergeben muss, brülle ich einfach wieder sehr laut.
Dies lernen Kinder unbewusst (vereinfacht ausgedrückt), wenn es geregelte Abläufe oder Einheiten gibt:
- Ich kann fragen, wenn ich etwas Bestimmtes möchte. Manchmal kann ich schon früher damit spielen, manchmal muss ich noch ein bisschen warten. Aber ich weiß, wann ich spätestens damit spielen kann.
- Es ist okay, wenn ich verärgert bin und deshalb laut werde, aber dennoch heißt es nicht, dass ich das Spielzeug bekomme – genauso weiß ich, dass ich es nicht sofort hergeben muss, wenn mein Bruder laut herumbrüllt.
- Ich bekomme nicht immer alles, was ich will, aber meine Eltern verstehen mich und unterstützen mich.
- Ich mag es, wenn meine Schwester mir das Spielzeug gibt. Ich hab sie echt gern.
- Wenn ich fertiggespielt habe, gebe ich das Spielzeug meinem Bruder. Er freut sich darüber und das macht mir ein gutes Gefühl.
Unsere Kinder werden nicht immer einverstanden sein, mit diesen Abläufen und Regeln und dies auch durch Weinen, Jammern, Lautwerden, oder auch durch Hauen ausdrücken. Und das wird anfangs sicherlich öfters der Fall sein!
Seine Gefühle auszudrücken ist in erster Linie eine gute Sache, dh. wir dürfen diese Situationen willkommen heißen, denn sie sind gleichzeitig gute Übungssituationen, um unsere eigenen Gefühle regulieren zu lernen. Auch Tränen sind ein Weg, mit starken Gefühlen umzugehen.
Wir sollten diese Momente ruhig und gelassen begleiten lernen (“Ich weiß, du möchtest jetzt gleich damit spielen und du bist ganz traurig, dass das grade nicht möglich ist. Wollen wir gemeinsam etwas anderes spielen, während wir warten bis dein Bruder fertig ist?)
Sehr oft stellt sich dabei heraus, dass es gar nicht um das Spielzeug ging, sondern andere unverarbeitete Dinge sich einfach einen Anlass gesucht haben, herauszukommen. Kinder lernen mit der Zeit, miteinander zu kommunizieren, statt sich wegen des Teilens zu streiten.
4. Vergleiche deine Kinder niemals miteinander oder mit anderen Kindern.
Das vermeiden zwar viele Eltern schon, aber ich kenne es auch von mir selbst – wir haben in unserem Wortschatz noch viele Ausdrücke, die einen Vergleich zumindest interpretierbar machen.
"Warum kannst du dich nicht selbst anziehen? Dein Bruder konnte das in deinem Alter schon ganz alleine?"
Es ist oft eine gut gemeinte Absicht hinter solchen Sätzen, vielleicht um etwas Motivation zu erzeugen. Was unser Kind davon mitbekommt ist, dass das Geschwisterkind anscheindend viel besser/geschickter/netter/schöner/etc… ist und wir das Geschwisterkind daher mehr lieben. Auch vermeintlich positive Vergleiche gehen nach hinten los.
Wenn wir seufzend sagen "Ich wünschte dein Bruder wäre so selbständig und organisiert wie du!" dann denkt dein Kind "Ich bin das gute Kind, meine Mama liebt mich mehr als meinen Bruder...weil ich so gut und organisiert bin, bin ich liebenswert(er)." Das erzeugt viel Konkurrenz und Missgunst zwischen Geschwistern.
5. Sorge für eine freundliche und wertschätzende Atmosphäre.
Gebt den Kindern die Möglichkeit für gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung. Achtet darauf, dass kein Druck und keine Erwartungshaltung eurerseits dahinterstecken, sondern schafft eine Umgebung, in der es zur Normalität wird, anderen Familienmitgliedern zu danken, ihnen Lob auszusprechen oder ihnen mitzuteilen, worüber man sich gefreut hat.
Ihr könntet es zu regelmäßigen Zeiten (immer sonntags, oder immer beim Abendessen) zur Routine machen, “etwas Gutes über die anderen Familienmitglieder” zu sagen. Was hat euch sehr gefreut, was war überraschend oder sehr positiv.
Als Eltern könntet ihr unter der Woche “Freudemomente” sammeln, sie vielleicht notieren und sie dann zu diesen Gelegenheiten vorlesen, sodass sich jeder in der Runde wertgeschätzt fühlt und man sich in diesen guten Gefühlen "baden" kann. Ihr müsst dies nicht auf die Beziehung zwischen den Kindern beschränken, sondern könnt es selbstverständlich auf die ganze Familie ausweiten. In der Klasse meines jüngeren Sohnes wird dies jede Woche praktiziert, und der „Star der Woche“ bekommt am Freitag von jedem Kind eine Art Kompliment, ein gutes Wort, einen Dank oder eine Anerkennung für etwas, das unter der Woche passiert ist. Der Fokus liegt dabei auf dem “Guten”.
Findet jeden Tag eine kleine positive Anerkennung über jemand anderen und baut Spannungen vorbeugend ab – gleichzeitig übt ihr damit Achtsamkeit und Dankbarkeit:
- "Es hat mich sehr gefreut, dass Tom mir gezeigt hat, wie ich das nächste Level bei Brawl Stars erreichen kann."
- "Ich habe mich gefreut, dass Mama mir heute bei den Hausaufgaben geholfen hat.“
- "Ich find‘s toll, dass Papa mir mein Lieblingsessen gekocht hat."
- "Ich habe mich gefreut, dass Liam extra ruhig war, als mein Freund hier war."
6. Hilf deinen Kindern, ein Team zu sein.
Wenn du meiner Arbeit schon länger folgst, dann weißt du, dass ich kein großer Fan von Belohnungssystemen bin. Aber ich bin ein großer Fan von Anerkennung, besonders wenn Kinder über ihren eigenen Schatten springen, die Komfortzone verlassen oder wenn sie beginnen, das „wir“ in den Vordergrund zu stellen.
Vielleicht passt es für eure Familie, einen “Geschwister-Team”-Topf zu haben, in den ihr Münzen werft, wenn sich die Geschwister bemühen, nicht mit einander zu streiten oder bewusst von sich aus (und ohne Druck) lieb zueinander sind. Die Geschwister entscheiden dann gemeinsam, wofür das Geld ausgegeben wird. Das mag für eure Familie nicht passen, weil es zu sehr nach Belohnung “riecht”, aber jede Familie ist anders gestrickt.
Eine andere Möglichkeit wäre, jedem Kind individuell zu danken, wenn es sich für sein Geschwisterkind eingesetzt hat, es ihm den Vortritt gegeben hat oder in einem Konflikt zu Gunsten des Geschwisterkindes nachgegeben hat. Seinem Kind dankbar zu sein und dies auch in Worten auszudrücken, mit einer innigen Umarmung anzuerkennen, lässt das Kind innerlich wachsen und gleichzeitig sind wir Eltern ein gutes Vorbild, wie man Dankbarkeit und Wertschätzung innerhalb der Familie zeigen kann.
Weiters kannst du den Wettstreit zwischen den Geschwistern verlagern und sie als Team z.B. einen Wettstreit gegen die Uhr führen lassen. „Glaubt ihr, ihr könnt eure Spielsachen innerhalb von 5 Minuten wegräumen, bevor der Alarm der Stoppuhr losgeht? Schafft ihr das gemeinsam?“ Und zu sagen „Ihr seid ein tolles Team!“ auch wenn sie es in der Zeit nicht schaffen. Das sind positive Momente, in denen Kinder spüren, dass sie die Situation als Team besser meistern können und wenn die Bedürfnisse jedes Kindes grundlegend gestillt sind, werden sie auf jeden Fall miteinander kooperieren.
7. Achte darauf, dass jedes Kind genug Freiraum und Platz für sich hat.
Geschwister teilen sowieso schon vieles: uns Eltern, die Spielsachen, die Aufmerksamkeit, die Familienzeit.
Sich ein Zimmer zu teilen kann einerseits die Nähe zwischen den Geschwistern fördern, aber es kann auch das Gegenteil bewirken, vor allem dann, wenn Geschwister sehr unterschiedlich in ihrem Temperament sind.
Sollte es nicht möglich sein, dass jedes Kind ein eigenes Zimmer als Rückzugsort hat, kann dennoch vieles zur Konfliktvermeidung beitragen:
- ein hoher Schrank zum Verstauen der Schätze und speziellen Spielsachen des älteren Kindes, sodass es das Jüngere nicht erreichen kann.
- Eine Art “Höhlenbett”, das zur verbotenen Zone für alle anderen deklariert werden kann, sodass es als Rückzugsort dienen kann.
- Unterschiedliche Einrichtung der Zimmerhälften, um auf die individuellen Bedürfnisse jedes Kindes einzugehen oder aber auch bestimmte Ecken oder Zonen in der Wohnung, die als Ort für Alleinsein dienen.
Du findest bestimmt noch mehr kreative Möglichkeiten!
8. Liebe jedes Kind “richtig”.
Was meine ich damit? Kinder, die sich geliebt und geschätzt fühlen, können sich am besten entfalten. Erst dann können sie kooperieren, großzügig sein und Mitgefühl für andere entwickeln. Kinder wollen auch immer wissen, ob wir sie denn “am liebsten” von allen haben. Und da ist es notwendig, klar vor Augen zu haben, wie jedes einzelne Kind tickt, sodass du ihm Liebe “in seiner Sprache” zeigen und geben kannst.
Ganz wichtig ist dabei die intakte Bindung und Beziehung zu jedem einzelnen Kind – und dazu findest du auf meiner Webseite viele Impulse: täglich Alleinzeit mit jedem Kind, wenn auch nur für ein paar fokussierte Minuten. Viel Humor und Leichtigkeit. Mitgefühl, statt Strenge, sodas sich dein Kind getraut, alle Emotionen auszudrücken und zu regulieren. Grenzen adäquat aufzeigen statt Strafen. Du wirst merken, dass diese kleinen aber kontinuierlichen Maßnahmen immens dabei helfen, auch die Geschisterrivalität zu minimieren und die Beziehung langfristig zu stärken!
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