Kind ist frech und ich verliere die Beherrschung

Kind ist frech? 8 Taktiken die Beherrschung nicht zu verlieren

Viele Eltern berichten, dass sie ihre Beherrschung verlieren: das Kind ist frech, es redet zurück oder reagiert trotzig. Und ja, jedes Kind wird dieses Gefühl in seinen Eltern früher oder später auslösen.

Aber wenn wir nicht gelassen und ruhig bleiben können, sondern uns provoziert fühlen, wie können wir dann von unseren eigenen Kindern verlangen, dass sie es besser machen? Unsere Gehirne sind so weit ausgereift und wir sollten als Vorbilder für unsere Kinder wirken, deren Gehirnentwicklung ja noch lange „work in progress“ ist.

In diesem Artikel gebe ich dir 8 hilfreiche Taktiken an die Hand, wenn dein Kind scheinbar frech oder „trotzig“ ist und wie du es schaffen kannst, ruhig zu bleiben.

 

8 hilfreiche Taktiken, Emotionsregulation vorzuleben

Wenn wir mit Kindern zusammenleben, dann können wir auch kindliches (und vielfach auch kindisches) Verhalten erwarten. Es ist unsere Rolle als Erwachsene, dass wir Gefühlsstürme ruhig begleiten und nicht selbst in den Sturm mit einsteigen, um einen Hurrikan draus zu machen.

Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche, mit denen viel geschrien, geschimpft wird oder die oftmals kritisiert werden, mehr als andere dazu neigen, an Depressionen zu leiden. Sie leiden häufiger an Angstzuständen und zeigen häufiger auffälliges Verhalten, körperliche Aggression inklusive.

Vielleicht wurdest du als Kind oft geschimpft oder es herrschte ein rauer Umgangston in deiner eigenen Kindheit und dennoch ist aus dir ein funktionsfähiger Erwachsener geworden? Gut möglich. Aber wie anders würde dein Leben aussehen, wenn du null Selbstwertprobleme, keine Tendenz zur übermäßigen Ängstlichkeit oder zu Depression hättest?

Den Teufelskreis des Schimpfens und Schreiens zu durchbrechen, ist ein großes Geschenk an dein Kind. Und weil dein Kind durch DEIN Vorleben, Mitgefühl und Geduld lernt, ist es auch ein Geschenk an weitere Generationen deiner Familie.

Hier sind 8 hilfreiche Taktiken, wie du Selbstregulation und emotionale Intelligenz vorleben kannst, statt auszuflippen, zu beschuldigen oder selbst wie ein Wutzwerg herumzuschreien – auch wenn der Gefühlssturm ausbricht!

 

1. Sobald du merkst, dass dein Stresspegel steigt und du in Richtung Wutspirale gehst …

Drücke deinen inneren Pause-Knopf, um dich zu beruhigen. Stoppe das, was du grade machst (zumindest für jetzt) und atme (bewusst und tief), damit du offen für positive Reaktionen wirst.

 Sage dir gedanklich vor, dass es keine lebensbedrohliche Situation ist. Es ist okay, manchmal getriggert zu werden, das lässt sich nicht vermeiden. ABER du kannst dir bewusst vornehmen, jedes Mal darauf zu achten, wenn du im Begriff bist, in Richtung hitzige Wut zu gehen – und es eben NICHT zu tun.

 

2. Nicht sprechen, solange du noch nicht ruhig bist

Zum Beispiel, wenn eins der Kinder wütend auf das andere ist und beginnt handgreiflich zu werden, dann bringe das „gefährdete“ Kind in Sicherheit. Wenn du selbst noch nicht ruhig genug bist, fange noch nicht an, mit dem wütenden Kind zu sprechen. Wenn es versucht, dich in ein Gespräch zu holen, dann antworte so ruhig wie möglich: „Wir besprechen das, wenn ich ruhiger und geduldiger bin…“

Wenn du einen großen Drang verspürst, dein Kind sofort „zurechtzustutzen“, es anzuschreien oder zu beschimpfen, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass dein Stammhirn übernommen hat und du „Ur-reflexartig“ reagierst. Dein System sieht nun im Kind den gefährlichen Feind – daher ist es besser, wenn du möglichst nicht viel sagst und dich aus der Situation begibst.

Sobald du wieder ruhig bist, kannst du die Situation immer noch nachbesprechen. Erst in einer ruhigen Gefühlslage bist du fähig, eine Beziehung zum Kind aufzubauen, bevor du „belehrst“ und auf diese Art flaut der Gefühlssturm schneller ab, anstatt das Ganze noch schlimmer zu machen.

 Es ist ein großer Irrtum, wenn du glaubst, dass dich das „schwach“ aussehen lässt. Im Gegenteil! Es zeigt eindrücklich, dass du deine Gefühle regulieren kannst und hey, du bist das Vorbild, stimmt’s?

 

3. Denke dran, dass dein Kind sich nicht „schlecht benimmt“, weil es dich bewusst auf die Palme bringen will

Das Kind benimmt sich so, weil es von (subjektiv erlebten) schlechten Gefühlen überrannt wird und mit diesen noch nicht anders umgehen kann. Sein Gehirn ist noch in Entwicklung und dein Kind lernt erst über einen längeren Zeitraum hinweg, wie es sich selbst beruhigen kann und diese Gefühle in nüchterne Worte packen kann … aber nur, wenn es sich von anderen abschauen kann, wie das geht, nämlich von dir und anderen Bezugspersonen in seinem Umfeld.

 

4. Kontrolliere dich selbst – und nicht dein Kind

Dein Kind ist frech und ja, es ist schon irgendwie nachvollziehbar, wenn du auf schnippisches und trotziges Zurück reden, verärgert reagierst. Aber es ist in den meisten Situationen wenig hilfreich! Es verschlimmert sie nur noch!

Halte dich also mit Aktionismus zurück, solange du noch mit deinen eigenen Emotionen zu tun hast. Dein Fokus liegt jetzt darauf, dieses hitzige Gefühl in dir aufzulösen, das dich dazu bringen möchte, herumzuschreien und zu schimpfen. Hier sind noch 10 Schritte, um mit dem Schimpfen aufzuhören.

Du merkst, sobald du selbst ruhiger bist, wird auch dein Kind schneller ruhiger, wenn nicht, dann mach weiter mit Punkt 5.

 

5. Höre einfach zu und schaffe damit Sicherheit

Egal ob dein Kleinkind wütet oder dein 10-Jähriger laut herumschreit - dein Kind möchte in seiner Not gesehen und gehört werden. Verwende Sätze wie „Du bist scheinbar ziemlich sauer über mich … erzähl mal, was ist los?“ Und dann hör aber auch zu.

Du fragst dich, ob du damit nicht einfach nur das „schlechte Verhalten“ belohnst und wie einfaches Zuhören dabei helfen, soll dein Kind zu stoppen?

Sobald sich dein Kind gesehen und „gehört“ fühlt, braucht es nicht mehr laut herumzuschreien. Wenn es merkt, dass du offen bist, seine Sicht der Dinge zu hören, wird es sich merklich beruhigen. Du schaffst Sicherheit und es besteht somit auch keine Notwendigkeit mehr für lautes Herumschreien.

Wenn wir Herumschimpfen und Herumschreien, dann lernt das Kind dadurch nur, dass in solchen Situationen alle Parteien möglichst laut sein müssen. Natürlich kannst du immer deine eigenen Grenzen aufzeigen und auf Vereinbarungen hinweisen, aber du kannst das immer mit Mitgefühl tun und damit eine sichere Atmosphäre schaffen. Gefühle zu verbieten oder dein Kind ins Zimmer zu schicken, damit es sich dort gefälligst beruhigt – das schafft keine sichere Atmosphäre. Das Einzige, was dein Kind dadurch lernt, ist, dass es mit seinen Gefühlen allein klarkommen muss und es sich für Gefühlsausbrüche schämen soll.

 

6. Belehre erst später

Ein großer Fehler, den viele Eltern machen, ist den Wut- oder Gefühlsausbruch möglichst schnell zu stoppen. Oder die Art, wie das Kind Ärger ausdrückt, sofort zu korrigieren. Aber das gibt dem Kind nur das Gefühl, dass es nicht verstanden wird, was dazu führt, dass es nur noch wütender wird. Gleichzeitig löst es einen Machtkampf aus.

Wenn dein Kind also vor lauter Wut die Hausübungshefte und Stifte vom Tisch fegt, dann halte dich mit Sätzen wie „Heb das sofort wieder auf!“ zurück. Dein Kind weiß natürlich, dass es diese Dinge nicht herunterwerfen sollte, aber das ist jetzt aus der Gefühlslage des Kindes heraus gerade das, was nötig ist, um dir zu zeigen, wie schlecht es ihm (innerlich) gerade geht.

Sei ein bisschen smarter und nimm diese Aktion (das Verhalten) als Kommunikationsbotschaft und antworte auf die Botschaft (und nicht auf das Verhalten).

„Puh, du bist aber ordentlich verärgert, da fliegen sogar die Hefte. Da haben in dir gerade viele komische Gefühle übernommen ...“

Wenn dein Kind sich dann mehr und mehr beruhigt, dringen womöglich auch Sätze durch wie: „… wenn’s schon geht, sag mir in Worten, was dich so verärgert, ich möchte dir helfen, dass es besser wird.“

Erst nachdem dein Kind ruhiger geworden ist und nachdem es sich von dir gesehen und gehört fühlt, kannst du anbringen, dass du ihm immer gerne zuhörst, wenn es sich schlecht fühlt und es dazu nicht vorher die Hefte runterwerfen muss. Frag nach, ob du ihm helfen sollst, die Hefte und Stifte wieder aufzuheben. Zumeist entschuldigen sich Kinder an diesem Punkt schon von selbst oder räumen die Sachen wieder auf.

Was nimmt dein Kind aber vor allem mit? „Meine Eltern hören mir zu. Sie helfen mir, mit diesen Gefühlen klarzukommen und ich muss mich wegen dieser Gefühle nicht schämen oder schlecht fühlen.“

Das Kind soll sich entschuldigen? Hier sind die notwendigen Schritte für eine aufrichtige Entschuldigung.

 

7. Öffne dein Herz

Was, wenn dein Kind vor lauter Ärger und Frust total zu macht? Vorleben! Mach dein Herz auf und werde weich, in deiner Gestik, in deiner Mimik und mit deinen Worten. Vielleicht hast du in dem aktuellen Streitpunkt tatsächlich recht. Aus deiner Perspektive.

Aber was ist dein Ziel?

Recht zu haben oder deinem Kind das Gefühl zu geben, dass du auch seine Sicht der Dinge verstehen kannst, sodass ihr wieder auf eine Basis kommt, wo ihr miteinander sprechen könnt?

Auch wenn dir das super schwerfällt, die Situation aus der Perspektive deines Kindes zu sehen. Ist es nicht auch das, was du grade von ihm verlangst? Deine Meinung über den Streitpunkt einfach zu akzeptieren? Das ist nicht leicht. Es geht in diesem Moment auch überhaupt nicht darum, nachzugeben oder nicht nachzugeben, sondern allein darum, den Gefühlen des Kindes Raum zu geben, sodass diese verpuffen können (Emotionsregulation).

Und um das zu erreichen, hilft es dir immens, dein Herz zu öffnen und dabei einfach nur tief durchzuatmen. Du wirst sehen, du wirst dabei sofort mitfühlender und ruhiger.

 

8. Nimm dir eine Auszeit

Du schaffst den Punkt 7 gerade nicht, weil ihr beide, dein Kind und auch du zu verärgert seid? Dann lass es für den Moment gut sein. Sag deinem Kind „Ich bin gerade zu verärgert, ich muss mich erst mal beruhigen und dann kann ich wieder besser für dich da sein.“ Sobald du dich beruhigt hast, finde einen Weg, dich wieder mit deinem Kind zu verbinden und in Beziehung zu gehen. Lebe deinem Kind vor, wie man nach einem Konflikt wieder gut in Verbindung kommt und nütze dazu auch Humor und Umarmungen, um das Gefühl des Vertrauens und der Sicherheit wieder aufzubauen.

 

Das ist alles! Mehr braucht es nicht, für weniger Drama. Jetzt bist du dran! Umsetzen, üben und Dranbleiben ist die Devise.

Zurück
Zurück

5 Tipps, wenn Mitgefühl scheinbar nicht funktioniert

Weiter
Weiter

In 5 einfachen Schritten vom Drama zum Cool-Down – dein Schummelzettel